Freitag, 14. Dezember 2012

Fazit nach 8 Monaten Langstreckenpendeln

Es ist ja nun schon einige Monate her, seit ich das letzte Posting hier veröffentlicht haben. Das hat einen simplen Grund: Ich wollte nicht nur meckern sondern über die positiven Dinge beim Bahnfahren berichten. Denn ich bin damit angetreten objektiv zu sein.



Nach nunmehr 8 Monaten kann ich eigentlich nur festhalten, dass das Bahnfahren nur unter optimalen Bedingungen wirklich eine Freude ist:
  • pünktliche bzw. zuverlässige Züge
  • angenehme Mitreisende
  • funktionierende Technik
Die Bahn selbst hat zwei dieser Anforderungen eigentlich in der eigenen Hand. Eigentlich. Aber es gibt Situationen, da frage ich mich, was los ist:
  • Es sollte doch eigentlich lösbar sein, dass ein Ersatzzug für einen stets vollen ICE von Frankfurt nach Köln bereitgestellt wird, wenn der eigentlich geplante Zug wegen einer Oberleitungsstörung in München hängt. Oder wenn in umgekehrter Richtung schon beim Losfahren in Essen eine massive Störung entdeckt wird.
  • Wie kann es sein, dass Triebwagen mit schöner Regelmäßigkeit Störungen entwickeln - wird hier die Wartung wirklich ernst genommen?
  • Eine Klimaanlage ist in den dicht verschlossenen modernen ICEs überlebenswichtig. Man fragt sich, wieso diese Dinger eigentlich immer genau dann ausfallen, wenn sie mal gebraucht werden: Kühlung im Sommer, Wärme im Winter. Ich habe dieses Jahr literweise kostenloses Bahnwasser getrunken, weil meine Schweißdrüsen auf Notprogramm geschaltet haben und mehr mit Winterjacke eingepackt im Zug verbracht als auf dem Bahnsteig.
  • Verspätungen von 10 Minuten gelten im Bahnbetrieb offensichtlich als Normalität und man könnte sich daran gewöhnen, wenn nicht die Anschlussverbindung genau 7 Minuten nach geplanten Ankunft von drei Gleisen weiter vorne losfährt. Selten so viel Zeit sinnlos verbraten wie beim Warten auf den nächsten Anschlusszug oder so viele Beinahezusammenbrüche gehabt, weil ich Sprints in voller Bepackung nicht trainiert hatte.
  • Fast jeder zweite Sitz ist kaputt. Entweder stellt die Lehne nicht fest oder nur in den Stellungen "kerzengrade"/"Schlafwagen". Die Tischhalterung sind gerne mal so ausgeleiert, dass man sich den Tisch aufs Knie haut, wenn man damit nicht rechnet. Auch daran erkennt man regelmäßige Bahnfahrer: An der Art wie der Tisch heruntergeklappt wird oder der Sitz verstellt wird.
  • Defekte Türen, Toiletten, Bistros, Lautsprecher = nichts Besonderes, man rechnet irgendwann einfach damit.
  • Wieso muss man sich praktisch täglich bei mir entschuldigen, dass wieder irgendetwas nicht so läuft, wie man es erwartet, bezahlt und verdient hätte? Macht es einfach richtig.
  • Kann das Zugbegleiterpersonal nicht endlich mal dafür sorgen, dass im Ruhebereich die Regeln eingehalten werden? Wieso fliegen Mobiltelefonierer bzw. deren Telefone nicht einfach aus dem Zug (bei Jugendlichen macht die Bahn das doch gerne mal...) oder bekommen nette Hinweise?
Natürlich kann zu all dieser Kritik immer eine Ausrede gefunden werden, wird auch. Mal sind es eben die anderen Mitreisenden, die Schäden verursachen, mal sind es irgendwelche Naturereignisse, die man nicht vorhergesehen hat, ein weiteres Mal waren Vandalen am Werk, dann ist wieder der Kostendruck ein Problem und so weiter und so weiter.

Für die Mitreisenden kann die Bahn natürlich nicht wirklich etwas, aber auch hier habe ich Dinge erlebt, die mich schwer daran Zweifeln lassen, ob wir nicht doch kurz vor der Apokalypse stehen:
  • Ein Mitfahrer wird von einer kurzhaarig frisierten mittelalten "Dame" angeblafft, weil er die Reste seines Burgers im Zug essen möchte und wird genötigt den Burger zu entsorgen.
  • Ältere Mitfahrer werden laut zusammengeschissen, wenn sie irgendetwas nicht verstehen oder dem Stress nicht ganz gewachsen sind.
  • Mütter mit unerzogenen und lauten Kindern setzen sich mit Vorliebe in den Ruhebereich statt in die speziell für Familien ausgerüsteten Bereiche (die Zauberworte heißen hier: Rechtzeitig und reservieren) oder wenigstens in die Nicht-Ruhebereiche.
  • Leicht schnarchender Mitreisender wird kurz vor deren Aussteigen von seiner Sitznachbarin übelst angefahren. Auch Hinweise auf "ich mache das nicht absichtlich" oder "Sie hätten mich ruhig wecken können" verhallen nutzlos.
  • Nettigkeit und Zwischenmenschlichkeit ist für viele Gelegenheitsfahrer ein echtes Problem. Praktisch kein regelmäßiger Pendler - man kennt sich - fällt hier auf.
  • Ein selbstherrlicher möchtegern-Alpha unterhält den halben Wagen damit, dass sein Scheff seinen genialen Report verrissen hat, weil er, der möchtegern-Alpha, zu viele Fachbegriffe verwendet hat und der Scheff ja offensichtlich etwas ungebildet ist.
  • Dauertelefonierer belästigen Gott und die Welt mit Weisheiten wie "ich sitze dann jetzt im Zug... ja... bis gleich... wollte nur noch mal Bescheid sagen", "ach... du etwa auch?? ne der ist doch nichts für dich...", "war ein langer Tag, ich bin total erschöpft und ruhe mich jetzt hier aus... ja aber das muss ich dir noch schnell erzählen".
  • Jugendliche Spacken, die laut herumbrüllend ihre Meinung über mitfahrende gleichaltrige Mädels abliefern. Und Mädels, die das genau so tun.
  • Erschreckenderweise habe ich empirisch nachweisen können, dass etwa 80% der musikhörenden Bevölkerung taub ist. In mehrfacher Hinsicht übrigens: Einmal scheint eine normale Lautstärke nicht mehr im Endohr anzukommen und was dann dort ankommt kann man schwerlich als Musik bezeichnen.

Klar ist, dass es auch nette Menschen gibt und störungsfreie Fahrten. Aber ich habe nach nur 8 Monaten dermaßen die Faxen dicke, die Nerven blank, die Schnauze voll, dass ich mich allen ernstes darauf freue im neuen Jahr wieder im Stau stehen zu dürfen. Innerhalb von 8 Monaten vom Fan zum Hasser. Liebe Bahn... so wird das nichts.

Ab nächstem Jahr heißt es für mich:
  • keine Quatschtanten
  • keine rempelnden Mitreisenden
  • keine ständigen Ausfällen von irgendwas (ich warte im vermuteten Gegensatz zu manchem Großbetrieb meine Fahrzeuge)
  • funktionierende Heizungen sowohl in der Luft als auch im Sitz
  • meine individuelle Geräuschkulisse ("Radio") ohne Kopfhörer
  • keine akustischen, olfaktorischen oder sonstigen Belästigungen
  • und ich bin absolut sicher, dass ich keine Anschlüsse mehr verpasse.
Ach ja. Noch dazu spare ich gut 50% der Zeit. Das sind mir etwa 100 EUR im Monat locker wert, die ich drauf zahlen werde.

P.S. Kleiner Hinweis: Wenn man viel Zeit hat und zu Zeiten fahren kann, wo die Züge nicht so verstopft sind, ist Bahnfahren übrigens für mich immer noch ein Vergnügen.

1 Kommentar:

  1. Moin,
    ja lustig ist das Bahn fahren.
    Aber Du hast noch Glück. Dü fährst mit dem ICE.
    Fahr mal 3 Stunden in einer RB.
    Hält an jeder Milchkanne.
    Jedes Mal die Ansage wo die Milchkanne steht und ob sie rechts oder links steht.
    Dazu ist die Heizung entweder 50° oder 5° warm.
    Obendrauf gibt es noch schlechtgefederte Wagons die auch sehr laut sind.
    Weil es ja so laut ist, müssen die Durchsagen noch lauter sein.
    An schlafen ist da nicht zu denken.
    Aber schlafen geht bei den Sitzen der RB ja sowiso extrem schlecht.

    Ich wäre froh, wenn ich mit einem ICE 2h fahren dürfte.

    Frohe Weihnachten

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